Herzlich Willkommen zum zweiten Blog Post,

heute befassen wir uns mit der Frage: Wie die Physiotherapie entstanden ist, wie sie meist angesehen bzw. verstanden wird und was es mit dem Berufsbild eigentlich auf sich hat.

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet.
Viel Spaß dabei!

Physiotherapie setzt sich aus den Worten

  • Physis = die Natur, das Wirkliche, das Erfahrbare
  • Physio = natürlich
  • und Therapie = Krankheitsbehandlung

zusammen.

Das Wort Therapeut heißt aus dem griechischen übersetzt so viel wie Diener oder Pfleger.
-> Demnach diente oder dient der Therapeut dem Patienten zur Behandlung seines Leidens..

Ein Ausschnitt der Geschichte:

Die Geschichte der PT geht weit zurück. Bereits vor 4000 Jahren wurden verschiedene Formen von Massagen und Heilbäder in China angewandt.

Im 18 Jhdt. begründete Johann Christoph Friedrich Guts Muths die pädagogische Gymnastik in Deutschland und Franz Nachtegall die „Gymnastische Gesellschaft“. Aus deren Leibesübungen entwickelte der Schwede Pehr Henrik Ling eine gezielte therapeutische Gymnastik.
Diese kombinierte er mit Massagen für spezielle Muskelgruppen.

Im 19 Jhdt. entwickelte Herr  Kneipp Sebastian, ein bekannter Vertreter der Naturheilkunde und der Hydrotherapie eine einfache Lebensregelung (5 Säulen für ganzheitliche Gesundheit -> siehe: https://www.kneipp.com/at_de/kneipp-wissen/5-saeulen-kneipp/ , kombinierte sie mit der Anwendung pflanzlicher Medikamente und einer Gesundheitserziehung.

Anfangs des 20 Jhdt. wurden hauptsächlich orthopädische Krankheitsbilder von Physiotherapeuten behandelt. In den 20er und 30er Jahren kamen die Teilbereiche Innere Medizin, Neurologie, Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe als zu begleitende Behandlungsgebiete hinzu. Nach dem 2. Weltkrieg entdeckte auch die Kinderheilkunde die Vorteile der vielfältigen und methodenreichen Behandlungsmöglichkeiten der Physiotherapie. In jenem Maß, in dem die Behandlungsvielfalt zunahm, wurde es auch notwendig die Ausbildungsdauer und -form zu verändern. Damit entstand in den 40er Jahren ein völlig neuer Beruf mit immer größerer Eigenständigkeit.

1992 trat in Österreich das erste MTD-Gesetz in Kraft. Die Berufsbezeichnung lautet nun „Diplomierte Physiotherapeut*in“ und die Ausbildung erfolgt ab nun an „Akademien für Physiotherapie“ und wird von zweieinhalb auf drei Jahre verlängert. In Deutschland wurden 1994 die Berufsgesetze novelliert. Von nun an heißen die Krankengymnasten einheitlich „Physiotherapeuten“.

Speziell in Deutschland aber auch in anderen Ländern Europas  stehen die Therapeuten und andere Gesundheitsberufe in einem juristischen Abhängigkeitsverhältnis zur Ärzteschaft.
Die Behandlung des Patienten erfolgt auf ärztlicher Verordnung; Indikation, Dauer, Diagnose wird vom Arzt festgelegt, der Physiotherapeut  führt diese aus.

In Skandinavien, Holland oder Australien zum Beispiel ist die Berufsgruppe der Physiotherapeuten unabhängiger. Dort gibt es einen direkten Zugang, d.h. es bedarf keiner ärztlichen Überweisung. Der Therapeut stellt aufgrund einer genauen Anamnese und körperlichen Untersuchung eine physiotherapeutische Diagnose. Aufgrund dieser werden in Kombination mit Leitlinien und der individuellen Zielsetzung des Patienten, der Therapieverlauf und Dauer geplant.

Dieser „Direkte Zugang“ kann Vorteile aber auch Nachteile mit sich bringen.

Der größte Nutzen besteht beim  viel schnelleren  Zugang zur Physiotherapie und dem damit verbundenen schnelleren Behandlungsbeginn.
Dadurch können folgende Vorteile erzielt werden:

  • eine schnellere Regeneration und Funktionsherstellung
  • eine schnellere Rückkehr zur Arbeit, zum Sport, Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL)
  • ein verringertes entstehen von zusammenhängenden psychosozialen Faktoren
  • ein verringertes Risiko für Chronifizierungen von Schmerzen
  • eine verminderte Einnahme von Medikamenten
  • ein Vermeiden von nicht erforderlicher Bildgebung (bei keinerlei Anzeichen von Redflags)
  • ein Vermeiden von inkorrektem Verständnis des Krankheitsbildes durch unverständliche Kommunikation, falschen Überzeugungen oder Nocebos.
  • ein Vermeiden von nicht notwendigen Operationen
  • dadurch eine finanzielle Entlastung des Gesundheitssystem

Vorausgesetzt hierfür ist eine akademisierte Ausbildung, eine ständige Bereitschaft für Weiterbildung und ein wissenschaftlich fundierter, reflektierter und kritischer Ansatz des Therapeuten.

Weiters Bedarf es an einer hohen Kompetenz des Therapeuten, mit der Fähigkeit einfach und verständlich zu kommunizieren und aufzuklären, sowie Differentialdiagnosen oder andere schwerwiegende Erkrankungen zu erkennen, und wenn nötig, eine sofortige Weiterleitung zum Haus- oder Facharzt einzuleiten!

Egal ob mit oder ohne direktem Zugang, das Wohle des Patienten sollte im Mittelpunkt stehen und dafür bedarf es einer interdisziplinären Kommunikation zwischen allen Gliedern der Gesundheitsberufe. Auch so könnten die oben genannten Punkte besser erreicht werden.

Moderne Definition der Physiotherapie

Physiotherapeuten erbringen Dienstleistungen zur Entwicklung, Erhaltung und Wiederherstellung der maximalen Bewegungs- und Funktionsfähigkeit von Menschen. Sie können Menschen in jeder Lebensphase helfen, wenn Bewegung und Funktion durch Alterung, Verletzungen, Krankheiten, Störungen, Leiden oder Umweltfaktoren gefährdet sind. Physiotherapeuten helfen den Menschen, ihre Lebensqualität zu maximieren, indem sie ihr physisches, psychologisches, emotionales und soziales Wohlbefinden berücksichtigen.
Sie arbeiten in den Bereichen Gesundheitsförderung, Prävention, Behandlung/Intervention und Rehabilitation. Darüber hinaus sind einige Physiotherapeuten in den Bereichen Ausbildung, Forschung und Dienstleistungsmanagement tätig.

Der Beruf umfasst eine Vielzahl von speziellen Behandlungsverfahren für fast alle Fachbereiche der Medizin:

  • Orthopädie (akute und chronische Beschwerden des gesamten Bewegungsapparates)
  • Rheumatologie (z.B. bei Morbus Bechterew, Arthrosen, Arthritis…)
  • Chirurgie (z.B. Nachversorgung nach Operationen oder Traumata)
  • Neurologie (z.B. Behandlung von Schlaganfall-Patienten)
  • Pädiatrie (bei angeborenen oder erworbenen Haltungs- und Bewegungsstörungen wie Infantile Zerebralparese)
  • Gynäkologie (z.B. Begleitung vor und nach einer Schwangerschaft, Beckenboden Training bei Inkontinenz oder nach Operationen)
  • Innere Medizin (z.B. Behandlung von Herzinfarkt- oder Pneumonie-Patienten)
  • Als weiterer Schwerpunkt der Physiotherapie etabliert sich die Prävention, insbesondere bei Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems.

Was kann man von einem Physiotherapeuten bestenfalls erwarten?

  • Sie führen eine umfassende Anamnese/Untersuchung des Patienten durch. Diese sollte durch zuverlässige und genaue Tests sowie wenn nötig durch Fragebögen unterstützt werden.
  • dass Sie die Ergebnisse der Anamnese/Untersuchung bewerten, um klinische Urteile über den Patienten zu fällen.
  • Sie eine physiotherapeutische Diagnose und Prognose erstellen, und einen patientenzentrierten Behandlungsplan (ggbf. angelehnt an international anerkannten Leitlinien) formulieren.
  • Sie im Rahmen ihres Fachwissens zur Therapie und zum Therapieverlauf beraten,
    sowie erkennen wann Patienten an eine andere medizinische Fachkraft überwiesen werden muss.
  • Sie führen Empfehlungen und Strategien für das Selbstmanagement aus.
  • Sie sind offen für Neues, hinterfragen und denken kritisch.

Der Beruf kann so dazu beitragen, die Entwicklung zu fördern und die Genesung zu erleichtern, damit die Menschen so lange wie möglich selbständig und im Berufsleben bleiben können.

Wann sollte man einen Physiotherapeuten aufsuchen?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten bzw. ist sie sehr Kontext- und Personenabhängig.
Zudem können externe Faktoren, wie z.B. Erreichbarkeit, Kultur, Finanzierbarkeit (= sozialer Status), Bildung, Versicherungssystem etc. einen Einfluss auf den Zugang haben.

Grundsätzlich kann ein Physiotherapeut zu jedem Zeitpunkt aufgesucht werden. Vor allem bei akuten muskuloskelettalen Beschwerden gilt je früher desto besser. Die Therapiedauer oder die Einheiten spielen dann individuell eine Rolle. Vielmehr geht es darum einem Menschen in dieser temporär unangenehmen, vielleicht auch unbekannten Situation beizustehen. Durch die Aufklärung der Situation und das einfach und verständliche Beantworten aller offenen Fragen können Ängste und Sorgen genommen werden und mehr Sicherheit und Selbstwirksamkeit mitgegeben werden.
Zusätzlich könnten weitere einfache Bewältigungsstrategien mitgeteilt werden, die zu mehr Erleichterung im Alltag führen können.
Zusammenfassend gilt, dass ein frühes Aufsuchen des Physiotherapeuten grundsätzlich zu keinen Nachteilen führt, sondern höchstwahrscheinlich mit Vorteilen
verbunden sein kann (siehe Vorteile des Direkten Zugangs).

Vielen Dank das Du dir die Zeit genommen hast den Blog zu Lesen!
Es würde mich freuen wenn du auch das nächste Mal wieder mit dabei bist.
Kritische aber respektvolle Kommentare sind sehr gern erwünscht.

LG Martin